Die neueste
ungarische Literatur
(1914-1933). II.
[…]
Der Schriftsteller der
politischen Opposition wurde im Kampf aufgerieben oder er kehrte zu seinem
Volke zurück. Die Fachleute des literarischen Welthandels gingen ihren
Geschäften nach. Was sollte aber mit den stillen Anbetern des Ichs und der
Schönheit, mit den „wahrhaftigen Europäern” werden, die sich nach den Sternen
des „grand siècle” der „reinen
Literatur” richteten ? Die Formen waren nicht mehr zu
verfeinern, die Sprache konnte nicht mehr bereichert werden, ohne ihren Sinn zu
verlieren. Die fortwährende Selbstanalyse führte zu einer Anarchie des Seelenlebens.
Die neue Zeit forderte ein Einmünden in den Strom der Gemeinschaftskräfte. Den
eindeutigen Weg der Allzuvielen konnten sie aber
nicht gehen. So folgt der reichen polyphonen Musik des ungarischen l'art pour
l'art zunächst eine taube Stille. Als ihre Dichter dann wieder zu singen
beginnen, zeigt auch diese Welt ein ganz neues Bild.
Die erste mögliche Entscheidung ist auch hier die Wahrung des schon Gefestigten. Die Konservativen der einstigen Revolution, die ja schon damals mehr außerhalb des Kampffeldes standen, bleiben in der Zeit, innerhalb ihrer eigenen Grenzen stehen. Sie bewahren ihre alten Gesten und pflegen ihre alten Formen weiter. Gy. Krudy (1878-1933) spinnt seine zerfließend-verträumten, aber atmosphärisch ausgezeichneten Novellen, seine leise tönende, flimmernd-arabeskenhafte Sprache weiter. [...][1]
[1] KRUDY: Sieben Eulen, 1922; Mohács, 1926; In meiner seeligen Jungherrenzeit, 1930; Das Leben ist Traum, 1932. [...]
Dezsõ von Keresztury
(Ungarische
Jahrbücher, Berlin-Leipzig,
1933/dec. Heft ¾. 323-324. p.)